Future Sniper

Als Sniper im militärisch / paramilitärischen Sinne definiert man Scharfschützen, welche ihre Ziele aus versteckten Positionen oder aus großen Entfernungen heraus angreifen. In der Regel bewegen sie sich nicht mit den regulären Militäreinheiten und greifen auch nur punktuell und extrem zielorientiert in das (Kampf-) Geschehen ein. Neben der Fern- und Treffsicherheit werden militärische Scharfschützen in einer Vielzahl von Spezialeinsatztechniken ausgebildet: Erkennung, Pirsch, Methoden zur Schätzung der Zielentfernung, Tarnung, Verfolgung, Bush-Craft[i], Field-Craft[ii], Infiltration, spezielle Aufklärung und Beobachtung, Überwachung und Zielerfassung.[iii] Scharfschützen müssen die vollständige Kontrolle über ihren Körper und ihre Sinne haben, um effektiv zu sein.[iv]

Militärische Konflikte sind Auseinandersetzungen zwischen Menschen, in denen es meist um die Erlangung von Boden, Rohstoffen oder Wasserressourcen geht. Carl von Clausewitz definierte diese Art der Auseinandersetzung als „erweiterten Zweikampf“[v].

Zwei Parteien ringen unter Aufbringung und Einsatzes ihrer Möglichkeiten um ihre Zielerreichung, wobei ein sehr großer Teil der intellektuellen Energie in die Aufklärung der Absichten, Möglichkeiten und Fähigkeiten und in das beabsichtigte und tatsächliche Vorgehen der jeweiligen Gegenseite investiert wird. Somit gehen jeder militärischen Aktion umfangreiche Analyse- und Auswertungsschritte voraus, es werden Abwägungen getroffen, Planungsschritte erarbeitet und schließlich umgesetzt. Hierzu verlassen sich die militärischen Planungsstäbe dann auf die einstudierten und die zu beherrschenden routinierten Fähig- und Fertigkeiten der jeweiligen aktiven Kampfeinheiten – bis runter zum einzelnen Soldaten.

Auf intellektueller Ebene ist Börsenhandel durchaus mit militärischen Auseinandersetzungen vergleichbar. Da an der Börse keine realen Werte geschaffen, sondern umverteilt werden, entbrennt der Kampf um eben diese begrenzten Ressourcen und das analytische, strategisch / taktische und schlussendlich routinierte Vorgehen der beteiligten Parteien hat in jeder Hinsicht Parallelen zu seinem militärischen Pendant. Bereits im alten Japan wurde von Marktanalysten dieser enge Bezug zwischen ihrem Arbeitsgegenstand und militärischen Aktivitäten hergestellt. So verwendeten die damaligen japanischen Händler in ihren Untersuchungen von Kursverläufen Begriffe wie „Verteidigungsnester“ oder „Verteidigungslinien“, es wurde von „Angriffsspitzen“ und „Durchbrüchen“ gesprochen. Auch heute suchen wir nach „Umsatz- bzw. Positionsklumpungen“ und werten Kursverläufe mit Hilfe von diversen Analysetools aus, welche uns zeigen, wo aktiv gekauft und Marktteilnehmer die Gegenseite nur passiv im Verkauf in den Markt stellen – oder umgekehrt. Wir suchen nach Divergenzen zwischen der Kursentwicklung und ihrer Entwicklungsdynamik, um nachlassende „Kräfte“ im Kauf oder Verkauf herauszufiltern und so Erwartungshaltungen zu entwickeln, welche auf „Impulserschöpfungen“ schließen lassen könnten, in deren Folge „Gegenbewegungen“ einsetzen sollten. Erfahrene Händler orientieren sich am Flow im Markt, denn dieser zeigt das reale Kräfteverhältnis von Angebot und Nachfrage. Charts sind im Prinzip nichts Anderes als „Gefechtsfeldkarten“, um reale Handlungsaktivitäten der beteiligten Akteure im Markt widerzuspiegeln. Jeder militärisch verantwortliche Stab brütet über eben diesen Karten und spielt Strategien und Taktiken im „Sandkasten“ durch. Dabei werden vorrangig Informationen über den Gegner eingebracht, es wird versucht, sich in Denkweise und Absicht der Gegenseite hineinzudenken, um daraus Schlüsse für das eigene Vorgehen zu ziehen. Genau dies machen Analysten und Händler im Markt. Daraus wird deutlich, dass erfolgreiches Agieren im Markt über das einfache und simple Argumentieren mit einfachen Kursverlaufsmustern und nur flachen theoretischen Grundkenntnissen hinausgehen muss.

Kurzfristig orientierte Händler sind schon allein von ihrer Marktgröße her nicht in der Lage, Kurse nachhaltig zu bewegen. Vielmehr sind diese darauf angewiesen, kursbeeinflussende Marktteilnehmer rechtzeitig zu erkennen, um diese für sich ausnutzen zu können. Und damit haben wir den natürlichen Bezug des Kurzfrist-Traders zum Sniper einer militärischen / paramilitärischen Einheit.

Der auf dieser4 Internetseite thematisierte Future-Sniper, ist ein Marktakteur, dessen Spezialisierung vorrangig darin besteht, punktuell in das Marktgeschehen einzugreifen, um an einzelnen, wiederum punktuell für ihn interessanten Abschnitten einer Kursentwicklung möglichst profitabel zu partizipieren. Die in der Fachliteratur zum militärisch oder polizeilich agierenden Scharfschützen hervorgehobenen persönlich unbedingt notwendigen Eigenschaften, lassen sich prinzipiell eins zu eins auch auf den im Markt agierenden Kurzfristhändler übertragen. Neben den unbedingt zu beherrschenden Hard-Skills, wie ein grundlegendes Verständnis des Marktes in dem sich der Händler bewegt (hier konkret der Futures-Markt, welcher sich auf Grund hoher Liquidität und geringer Kosten ideal für diese Art des Handels eignet), der wichtigsten Randmärkte, der Faktoren, welche fundamental und technisch Einfluss haben, als auch des Verständnisses des jeweils zu handelnden Produktes, die Beherrschung der Handelsoberfläche, als auch der zwingend notwendigen Routinen, spielen auch die Soft-Skills eine absolut entscheidende Rolle. Hierzu zählen Disziplin, Selbstbeherrschung im Handel, aber auch das Erkennen von eigener Erschöpfung sowie der Umgang mit Stress. Ein solcher Händler lebt in zwei voneinander getrennten Welten: er lebt im Markt, dem die volle Aufmerksamkeit gilt, wenn er im Handel ist und er hat ein Leben außerhalb des Marktes, welches er zur Widerherstellung seiner Kräfte nutzt.

Der Future-Sniper bewegt sich nicht adrenalingeschwängert hektisch in mehreren Märkten gleichzeitig, sondern arbeitet ruhig und besonnen, streng fokussiert „im Hintergrund“. Er ist unauffällig und wartet geduldig auf seine Chance im Marktgeschehen. Der Future-Sniper arbeitet nicht im Dauerfeuermodus, sondern agiert präzise und punktuiert[vi] im Einzelfeuer.

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[i] Bushcrafting (…) bezeichnet die Beschäftigung mit und vor allem die Erprobung, Optimierung und Nutzung von allen Fertigkeiten, Techniken und handwerklichen Tätigkeiten, die für das Überleben oder einen längeren Aufenthalt in der Natur (im engeren Sinne hauptsächlich im Wald, daher „bush“) nützlich sein können. Sie dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Bushcrafting.

[ii] Fieldcraft sind die Techniken, die mit dem Leben, Reisen oder militärischen oder wissenschaftlichen Beobachtungen im Feld verbunden sind, und die Methoden, die dazu verwendet werden.  Siehe dazu: https://en.wikipedia.org/wiki/Fieldcraft.

[iii] https://en.wikipedia.org/wiki/Sniper

[iv] ebenda

[v] Carl von Clausewitz, „Vom Kriege“, Vollständige Ausgabe, Nikol Verlag, 13. Auflage 2021, Seite 29

[vi] Der deutsche Duden enthält das Wort „punktuiert“ nicht, umgangssprachlich beschreibt es aber ein Vorgehen, welches man auch als „auf den Punkt gebracht“ bezeichnen könnte.

 

Ich möchte Folgende Punkte an den Anfang stellen:

Ich möchte zu Beginn einige Prämissen an den Anfang stellen, welche nicht selten übersehen oder weggelassen werden, aber aus meiner Sicht das Rückgrat einer jeden Handelstätigkeit darstellen und auf welche wir uns gleich zu Beginn festlegen müssen. Voranstellen möchte ich aber auch, dass Börsenhandel für erfolgreiche Händler ein Glücksfall ist. Als ich während meines Studiums in Berlin an der dortigen Börse noch als Rookie mit offenem Mund über das Parkett stolperte, sagte ein älterer Freimakler zu mir: „Nirgendwo liegt das Geld so offensichtlich auf der Straße wie im Handel. Man muss sich nur bücken und es aufheben. Aber: man muss auch wissen, wie man es aufhebt.” Diese Aussage hatte sich mir eingeprägt und wir, die an der Börse tätig sind, sind tatsächlich mit dieser gewaltigen Chance gesegnet. Aber auch hier gibt es nichts geschenkt, die Fallstricke (besonders die von uns selbst ausgelegten) sind häufig und vielfältig. Und so möchte ich im Folgenden nicht das Loblied auf einfache Einkünfte und zukünftigen (möglichen) Reichtum singen, sondern mich vor allem auf die Dornen fokussieren, welche unseren Weg tagtäglich pflastern, um zumindest die Chancen zu erhöhen, einige dieser schmerzhaften Begegnungen zu umgehen.

HANDEL HAT VON SICH AUS EINEN NEGATIVEN ERWARTUNGSWERT

Day Trading hat aus seiner Struktur heraus, einen negativen Erwartungswert. Sowohl Infrastruktur, als auch der Handelsprozess selbst kosten Geld. Folglich müssen allein zur Kostendeckung Gewinne erwirtschaftet werden. Somit hat ein Händler keine Alternative zu einem erfolgreichen Handel, sofern er überleben will. Die zu erreichende Mindestschwelle im zu erzielenden Ertrag, sind die Kosten, welche zur Aufrechterhaltung seiner Handelsfähigkeit notwendig sind.

Daraus ergibt sich folgende Frage: was sind die Mindestanforderungen, welche ein Händler an sich und seine Tätigkeit stellen muss, um seinen Handel in einen positiven Erwartungswert drehen zu können? Im Sport würde die Antwort in etwa lauten: trainiert man täglich ein bisschen, reicht es vielleicht, nicht unter den Letzten zu sein. Trainiert man täglich hart und konsequent, wird man im Vergleichsmaßstab vorn liegen. Im Handel ist eine solche Linearität leider nicht möglich, denn Erfolg misst sich hier nicht in Abstufungen, noch in Grautönen.

Das Ergebnis eines profitablen Trades resultiert aus dem Handelsergebnis minus der damit generierten Gebühr, wobei das Ergebnis Höher sein muss als die Gebühr beträgt. Im Falle eines Verlustergebnisses, akkumulieren sich die Transaktionsgebühren hinzu.

Ein Händler steht allein im Feld – ganz allein

Handel ist ein einsamer Job. Ein Händler ist ohne Ausnahme zu 100 Prozent für seinen Erfolg allein verantwortlich. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen betreffen dabei nicht nur den Handelsprozess selbst, sondern greifen weit darüber hinaus.

Als Händler agiert man praktisch wie ein Einzelunternehmer, was in der Ergebnisbewertung selbst für angestellte Händler in Finanzinstituten gilt. Die schlussendliche Bewertung eines Händlers reduziert sich auf dessen Ertragsentwicklung und diese ist eindeutig. Ob ein Händler profitabel arbeitet oder nicht, ist aber nur der Kulminationspunkt all seiner Tätigkeiten, die Eigenverantwortung betrifft aber auch seinen Weg hin zum Ergebnis. Umfasst werden Fragen wie: „Was lernt er, wann und wo lernt er?“, „Wie wendet er das Gelernte an, wie geht er mit Fehlern und mit Erfolgen um?“. Handel ist auch ein dauernder Prozess der Selbstreflexion, eine ständige Auseinandersetzung mit sich selbst.

Das Frustpotential kann zeitweise sehr hoch sein

Besonders in der Gruppe der privat Interessierten ist die Meinung weit verbreitet, dass das Handeln an der Börse eine interessante Alternative zum bisherigen Berufsleben ist, um sich darauf einzulassen und seinen Lebensunterhalt auf diese Weise zu verdienen. Die gängigen Versprechungen diverser “Gurus”, welche gerade über das Internet eine enorme Verbreitung gefunden haben, befeuern diese Erwartungshaltung. Hier möchte ich gleich ganz viel Wasser in den Wein gießen.

Als Händler bewegt man sich in einem massiv unsicheren Umfeld. Ich werde folgende Aussage in diesem Buch noch mehrmals wiederholen: “Kurse bewegen sich weder nach mathematischen, noch physikalischen Regeln, sie sind das Ergebnis von Planung, Emotion, Panik, Frust, Handelszwang, Markterwartungen, aber auch Fehleinschätzungen von Marktteilnehmern – und das sind Menschen, wie Sie und ich”.

Auch sehr erfahrene Händler, mit jahrelanger Praxis und einem sehr breiten theoretischen Wissen, werden mit unerwarteten Bewegungen am Markt konfrontiert. Es gibt Situationen, in denen alles schief zu gehen scheint und man das (völlig unbegründete) Gefühl bekommt, andere Akteure sehen die eigenen Positionen und handeln konsequent gegen einen selbst.

Das ist normal und darf nicht dazu führen, dass der Händler hektisch und unüberlegt wird.

Gibt es den erfolgreichen Handelsansatz, mit dem Jeder an der Börse Geld verdienen kann?

Ist Erfolgt nur eine Frage des richtigen Wissens? Die Antwort ist ein klares Nein. Handel ist eine sehr persönliche und augenblickbezogene Auseinandersetzung mit anderen Akteuren und ist vergleichbar mit der Anwendung einer (Fremd-) Sprache. In der verbalen Auseinandersetzung entscheidet in der Debatte der Wortschatz und dessen geschickte Anwendung. Das ist nicht nur die Aneinanderreihung der Worte, sondern geht viel tiefer in die Vielschichtigkeit des Verständnisses des Gesagten. Wir setzen uns sprechend mit unserem Gegenüber auseinander und der Erfolg der Kommunikation hängt in erster Linie von unserer Fähigkeit ab, wie wir unsere Sprachkenntnisse anwenden. Für die verbale Kommunikation gilt: mit ein paar gelernten Mustersätzen kann man sich vielleicht vor dem Hungertod retten, aber je umfassender der Sprachwortschatz und je ausgeprägter die Sprachpraxis, desto größer ist der Kommunikationserfolg. Gleiches gilt für den Handel. Auch hier gibt es Grundregeln, aber kein fixes Schema, welches Handelserfolg verspricht.

Wenn Handeln unser Leben finanzieren soll, dann ist Handel die wichtigste Sache in unserem persönlichen Universum. Handeln ist dann nicht eine Nebensache, sondern der Lebensmittelpunkt.

Sklave der eigenen Position

Ein substantieller, aber besonders im Kurzfristhandel grundsätzlicher Fehler, ist der Aufbau von Positionen, wenn der Markt gegen einen läuft. Gemeint ist nicht pauschal das Verbilligen, aber gemeint ist das Verbilligen des Einstandes, wenn die Position schon deutlich im Minus liegt. Ausnahmslos jeder Händler wird diese emotionale Herausforderung kennen: man wird Sklave seiner Position und man ist nicht mehr offen für den Blick auf den Markt, so wie er ist. Ein Kurzfristhändler handelt nun mal einen Bewegungsimpuls, und diesen gilt es zu erkennen.

Das Problem hierbei ist, dass ein Händler, im Moment der ersten Positionierung, durch diese beeinflusst ist. Das heißt konkret, ab diesem Augenblick ist man nicht mehr wirklich frei in seiner Sichtweise. Einen mechanischen Schutz vor einer solchen Entwicklung bildet der platzierte Stopp-Kurs. Aber der Stopp-Kurs schützt uns nicht mental.

Natürlich drängt sich die Frage auf, was wir gegen diesen mentalen Druck tun können und auch hier gibt es keine allgemeingültige Standardantwort. Wie kämpft ein Choleriker gegen den Drang an, bei jeder Kleinigkeit heftig zu reagieren? Wie kann man das eigene Selbstwertgefühl steigern, wenn man sich sein Leben lang bemüht hat, es immer allen recht zu machen? Die Notwendigkeit, gegen den Druck der ersten Positionierung mental anzukämpfen, ist emotional vergleichbar. Mir persönlich hilft gegen den Sog der mentalen Vereinnahmung Folgendes: als Berufshändler hatten wir alle mit dieser Herausforderung zu kämpfen. Ältere Händler rieten uns, im Handel den Gedanken an eingesetztes Geld zu verdrängen und das Kapital stattdessen als Arbeitsmittel zu sehen, dessen Wert in Punkten bemessen wird. Dieses Vorgehen verringert zumindest den Druck, welcher sich aus der Eigenschaft des Geldes schlechthin ergibt. Das macht uns etwas freier im Denken. Dieses Vorgehen hat sich bei mir so tief eingegraben, dass ich alle Kosten bei Einkauf, Urlaub, Veranstaltungen in Punkten umrechne. Mein Wertesystem basiert folglich auf FDAX Punkten. So kann ich für mich fassbarer abschätzen, ob etwas teuer oder günstig ist und ob bzw. wie lange ich bemüht sein werde, diesen Betrag zu verdienen.

Eine weitere Blickrichtung ist das bewusste Bemühen, bei einer laufenden Position immer und immer wieder abzuschätzen, ob ich in diesen jeweiligen Augenblicken kaufen oder verkaufen würde, wenn ich nicht positioniert wäre und eine Entscheidung treffen müsste. Ich zwinge mich dabei auszublenden, dass ich bereits positioniert bin. Ist meine Entscheidung, dass ich kaufen würde und ich halte bereits eine Long-Position, halte ich Sie weiter oder kaufe sogar zu. Liegt eine Augenblicksentscheidung auf der entgegengesetzten Seite, wird die Position eliminiert.

Aber zweifellos bleibt es eine echte mentale Herausforderung und je größer die Position wird, desto mehr kommt man in den Sog der Position. Am Ende hilft nur das Wissen, dass der Stopp der ultimative Rettungsanker ist.

Der Flow ist die entscheidende Komponente

Besonders im kurzfristig ausgerichteten Handel gilt: der Orderflow ist die absolut entscheidende Komponente, an der sich der Kurzfristhändler orientieren muss. Analysen beschreiben (mal mehr, mal weniger treffend) die Ist-Situation. Auf keinen Fall geben sie aber den Handlungsbedarf marktdominanter Akteure vor. Die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen die Erklärungen von Kursbewegungen durch Analysten und Marktbeobachter nachgereicht werden mussten, nachdem ihre getroffenen (Kurs-) Prognosen nicht eingetreten sind. Damit möchte ich auf keinen Fall den Wert von Analysen schmälern, ich möchte aber jeden aktiven Händler dafür sensibilisieren, dass es nicht Daten, Indikatoren oder Chartmarken sind, welche Handelsentscheidungen treffen lassen, sondern in den überwiegenden Fällen bestehende Positionen marktdominanter Akteure, welche gedreht oder geschlossen oder an die Erwartungshaltung des Portfoliomanagers angepasst werden müssen. Auch hier können wir Parallelen zur sprachlichen Kommunikation treffen: es sind selten die sachlichen Fakten an sich, welche die Inhalte und deren Richtung in der Darstellung und Bewertung bestimmen, sondern ihre Interpretation in Verbindung mit den gängigen Narrativen. So ist es im Handel auch, was es besonders für Händler, welche auf Orderflow angewiesen sind, notwendig macht, mehr den marktdominanten Marktakteur (wir nennen diesen einen “Wirt”) und seine Orderlage zu analysieren, als sich spekulativ auf Analyseaussagen zu stützen.

Handeln – nicht Spielen …

… diese Mahnung gilt besonders für kurzfristig orientierte Händler. Der Druck, viele Handelsentscheidungen in vergleichsweise kurzer Zeit treffen zu müssen, steigert das Risiko, psychisch zu erschöpfen und unachtsam zu werden. Aber auch das Unterschätzen der Marktgegebenheiten, sowie die Überschätzung eigener Fähig- und Fertigkeiten, lässt die Grenze zwischen leichtsinniger oder gar unüberlegter Spielerei auf der einen Seite und diszipliniertem und planendem Handeln auf der anderen Seite verschwimmen.

Die Praxis zeigt, dass es diverse Fallstricke gibt, welche harmlos klingen, aber durchaus den entscheidenden Unterschied zwischen seriöser Ergebniserzielung oder verlustbringenden Trades machen. Ich möchte einige davon aufzählen:

Die Meinung, jederzeit handeln zu müssen / zu können. Sinnvoller ist es, sich auf jene Zeitfenster zu konzentrieren, in denen bevorzugt mit tragenden Orders gerechnet werden kann. Im FDAX sind dies die Zeitfenster zwischen 09:00 Uhr (Handelsbeginn Kasse) bis etwa 10:00 Uhr / 10:30 Uhr, dann wieder ab 15:30 Uhr (Eröffnung US-Börse) bis etwa 17:00 Uhr / 17:30 Uhr (Ende des Kassa-Handels an der deutschen Börse). Hintergrund: in diesen Zeitfenstern sind kurstragende Orders am wahrscheinlichsten. Zwischen diesen Zeiten verändert der Kursverlauf sein Bewegungsverhalten, wenn keine dominante Order im Markt ist, was konsequenterweise auch eine andere Handelsroutine vom Kurzfristhändler verlangt oder ihn ganz aus dem Markt lässt.

Sowohl die Long-, als auch die Short-Seite gleichberechtigt handeln zu müssen / zu können. Ich kenne nur sehr wenige Händler, welche beide Seiten mit gleichem Erfolg handeln. Der überwiegende Teil der beruflich tätigen Händler (mich eingeschlossen), haben eine bevorzugte Handelsseite. Aber selbst wenn man beide Seiten routiniert beherrscht, ist ein häufiger Richtungswechsel auch eine gewaltige mentale Herausforderung. Ich persönlich halte es für sinnvoller, sich auf eine Seite zu konzentrieren (was in der Regel die impulsdominante Seite sein sollte) und nicht die Reaktionen zu handeln. Diese bieten schon von ihrer Natur aus ein deutlich ungünstigeres Ertrags- / Risiko-Verhältnis. Hinzu kommt, dass ein häufiger gedanklicher Richtungswechsel stärker an unserer begrenzten Aufmerksamkeitsspanne nagt, als der Fokus auf die jeweils dominante Handelsrichtung.

Ablenkungen können verheerende Folgen haben. Ein Händler sollte während seiner aktiven Handelszeit möglichst jede Form von Ablenkung meiden, welche nicht zwingend für seine Aktivitäten notwendig ist. Hierzu zählen das Checken von e-mails, das Telefonieren mit anderen, das nebenher Laufen lassen von Filmen, das Hören von Podcasts und Ähnliches. Dazu zählt aber auch das gleichzeitige Handeln unterschiedlicher Märkte. Im Berufshandel handelt ein Kurzfristhändler einen einzigen Markt – und das über Jahre. Nur so kann gewährleistet werden, dass dieser den Markt auch wirklich kennt und auch in der Lage ist, die Spuren der marktdominanten Akteure zu lesen, sowie deren Routinen ausnutzen zu können. Wer sich in mehreren Märkten bewegt, vielleicht sogar noch gleichzeitig, ist nicht cool, sondern eher amateurhaft leichtsinnig.

Persönliche Probleme mit sich herumzuschleppen. Hier knüpfe ich am Punkt “Ablenkung” an. Wer unter mentalem Druck steht, wird nicht erfolgreich handeln können. Solange diese Probleme akut sind, sollte man nicht handeln, sondern diese aus der Welt schaffen oder wenigstens so kanalisieren, dass sie nicht den Handel und die dafür notwendigen mentalen Kapazitäten überschatten. Auch Handeln unter Druck, um Existenzbedrohungen abwenden zu können oder Ähnliches, sind in der Regel Garanten für Unaufmerksamkeiten und Fehler und kosten Geld.

Analysegläubigkeit ersetzt nicht das eigene Denken. “Wir haben ein Verkaufssignal im Stochastik, also werden die Märkte fallen”, “Fundamental sieht die Aktie brillant aus, sie wird auf jeden Fall steigen – ein ganz klarer Kauf”. Wie oft habe ich einen solchen Unsinn gehört. Aber Vorwürfe wären hier fehl am Platze. Erstens war ich selbst über Jahre ein überzeugter Anwender der Technischen Analyse und wende diese auch heute noch an, zweitens greift hier kein schwarz oder weiß, sondern wir bewegen uns im Graubereich. Unsinn sind absolutistische Aussagen, eingedampft auf eine mechanische Signalgenerierung, ohne die enorme Komplexität des Marktes und dessen Bewegungsmotivationen zu berücksichtigen. Aber eine sinnvolle Abwägung in Stärken und Grenzen eines jeden Analyseansatzes liefert hier ein tragfähiges Arbeitsinstrument. Für mein Verständnis ist dieses Thema so bedeutend, dass ich ihm einen eigenen Abschnitt gewidmet habe. Alle Analysen sind Versuche der IST-Beschreibung – praktisch der Versuch einer Diagnose. Darauf aufbauend, lassen sich durchaus Zukunftsszenarien diskutieren, eine sinnvoll handelbare Prognose lässt sich allein aus Marktanalysen jedoch kaum herleiten.

Was ist ein Kurzfristhändler?

Der Begriff „Kurzfristhandel“ definiert einen Handelsansatz, in dem der Händler eine Position in der Regel nur weinige Sekunden bis Minuten hält. Auf keinen Fall geht der Händler eine Position ein, welche „über Nacht“ gehalten wird.

Ein Kurzfristhändler ist von sich heraus nicht derjenige, welcher den Markt durch eigene Handelsaktivitäten bewegt. Vielmehr ist er darauf angewiesen, sich mit seiner Position an jene marktdominierenden Akteure zu hängen, welche durch Ihre Handelstätigkeiten die Kurse tatsächlich für eine begrenzte Zeit nachhaltig und möglichst stetig bewegen. Diese Akteure nennen wir „Wirte“.

Da sich heute die Spuren, welche alle im Markt aktiven Teilnehmer hinterlassen in einer einzigen Kursverlaufsgrafik (dem Chart) widerspiegeln, besteht die größte Herausforderung für einen kurzfristig orientierten Händler darin, die für ihn interessanten kursverlaufsdominierenden Marktteilnehmer in dem Chart-Verlauf zu identifizieren und sich an diese „heranzuhängen“.

Um dies erfolgreich umsetzen zu können, erwirbt ein Kurzfristhändler ein umfassendes Wissen zum Markt im Allgemeinen und zu den Wirten im Besonderen. Dieses Wissen erstreckt sich über den Aufbau des Marktes, über die Struktur und Handhabe der in diesem Markt gehandelten Produkte und ihrer gegenseitigen Beeinflussung, das Wissen geht tief in das Verständnis der Arbeitsweise der jeweiligen Wirte hinein, ebenso in das Erkennen und Verstehen ihrer eingesetzten Handelsroutinen. Darüber hinaus muss ein Kurzfristhändler eigene Handelsroutinen beherrschen, mit denen er auf die Arbeitsweise seines Wirtes reagiert. Da es diverse Wirte mit unterschiedlichsten Arbeitsfeldern gibt (Kommissionsgeschäft, Arbitrage, Gamma-Trading, Scalping usw.), welche der Kurzfristhändler alle beherrschen muss, kann man durchaus sagen, dass der kurzfristig orientierte Händler mit das umfangreichste und breitgefächertste Wissen zu seinem Markt haben sollte.

Ein Kurzfristhändler ist wie ein jeder Börsenhändler in erster Linie zunächst ein Risikomanager. Eine jede eingegangene Handelsposition stellt von Natur aus ein Risiko dar. Die Aufgabe eines Händlers besteht darin, dieses Risiko zu planen, es planvoll umzusetzen, zu überwachen und zu führen und am Ende wieder zu schließen.

Welche Grundkenntnisse sollte ein Händler sicher beherrschen?

Ein im professionellen Handel eingesetzter Trader, muss über umfangreiches Wissen zu den Themen Markt, Akteure, Produkte und handelsrelevante Aspekte verfügen, ebenso muss er die Handelsroutinen beherrschen, welche seinen jeweiligen Tätigkeitsbereich betreffen. Hier sollten auch private Trader, welche mit der Absicht an die Börse gehen, im Markt durch Handel Geld erwirtschaften zu wollen, keine Abstriche machen.

Folgende Schwerpunkte empfehlen wir, mit denen sich jeder Trader sicher auskennen sollte, der aktiv an der Börse handeln möchte:

Theorie:

Märkte als komplexe und nichtlineare Systeme (Hier sollte Verständnis vorliegen zur Betrachtung des Marktes allgemein aus Sicht der Chaos-Theorie, Aus philosophischer Sicht, aus Sicht der Spieltheorie und unter Beachtung der Reflexivität der Marktakteure, ebenso sollte die Organisation des Marktes, in dem der Trader aktiv zu werden gedenkt, bekannt sein).

Kommissionshandel (Es sind Akteure, welche den Markt bewegen. Folglich sollte man diese im jeweiligen Markt kennen. Dominant sind in nahezu allen Märkten sogenannte Kommissionshändler. Folglich sollte jeder Trader wissen: was ist Kommissionsgeschäft, wie läuft es ab, wie erkennen wir Kommissionshändler im Markt, welche typische Ablaufroutinen führen diese Akteure im Markt aus?)

Forward / Futures (Es sollte verstanden sein, was Forwards / Futures sind. Wie ist deren Entstehungsgeschichte? Darüber hinaus sollte ein Trader alle produktrelevanten Aspekte kennen).

Aktien / Anleihen (Es muss sicheres Wissen bestehen zu Aktien und Anleihen, ebenso zu allen Randprodukten und Bezugswerten).

Index-Arbitrage (Ein Händler sollte das Prinzip des Zusammenhangs des Kasse- und derivaten Marktes sicher beherrschen, er sollte wissen, was faire Bewertungen sind. Darüber hinaus muss er die Vorgänge der Index-Arbitrage beherrschen, die reine Arbitrage verstehen und den praktischen Nutzen der Index-Arbitrage im Markt verstehen).

Kurzfristhandel (Gerade im Trading-Bereich ist es wichtig, die Rolle des Kurzfristhandel aus institutioneller Sicht zu verstehen. Hierzu zählen wir Scalping, Phasenhandel und Swing Trading. Darüber hinaus müssen Kenntnisse bestehen im Erkennen der Handlungsaktivitäten des KFH im Markt.  Welche Routinen werden dort zum Einsatz gebracht, wie partizipieren wir an diesem Handel?)

Aktivitätszonen (Ein Händler sollte das Thema der Aktivitätszonen beherrschen. Welche Rolle spielen diese im Markt? Wie werden diese genutzt? Harte und weiche Aktivitätszonen – ermittelt aus dem Kursverlauf und aus der Lage der Optionspositionen im Markt).

Handelsbausteine (Was sind Handelsbausteine, was sind Legs? Was sind Leg-Ketten, was sind Bausteinketten? Wie werden Handelsroutinen ausgebildet?)

Optionen (Der Themenbereich Optionen ist sehr umfangreich. Da Optionen einen ausgeprägten Einfluss auf entwickelte Märkte haben, sollte jeder Trader ein umfassendes Wissen zu diesem Thema besitzen. Beginnend bei den Fragen: was unterscheidet Optionen von anderen Produkten, Parameter, Preisbildung, Einsatz, Synthetisierung, Put-Call-Parität, Arbitrage …).

Spreads und Optionsstrategien (… über Erläuterung von Optionsstrategien, Aufbau von Spreads, worin besteht deren Sinn und Ziel? Warum und wie arbeitet man mit Spreads?)

Theta / Gamma Trading (Einen besonderen Schwerpunkt sollte der Händler auf folgende Fragen legen: was ist der Sinn des Theta Gamma Tradings, Einfluss auf den Markt, was ist open Interest? Wie nutzen Händler diese Effekte für sich aus?)

Visualisierung (Wer sich im kurzfristigen Bereich bewegen will, sollte verstehen: was ist Visualisierung, wie visualisiert man? Er sollte Kenntnisse und Übung haben in der Visualisierung von Handelsabläufen, Visualisierung von Routinen, Visualisieren von Aktivitätszonen.)

Handelspsychologie (Dem Thema der Handelspsychologie kommt ebenfalls eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Hier sollten folgende Fragen sicher beantwortet werden können: Wie wird unser Gehirn im Handel gefordert? Wie lernen wir und wie verarbeiten wir Informationen? Welche Bedeutung hat die bewusste und unbewusste Informationsverarbeitung? Wie können wir Routinen optimieren, welche Rolle spielen Handelsbausteine und Handelsphasen unter psychologischen Gesichtspunkten im Kurzfristhandel?)

Technische Analyse (Zu diesem Themengebiet sollte beherrscht werden: Geschichte, Herleitung, Nutzen und Grenzen, Klassifizierungen in Charting, Markttechnik, Formationslehre, Sentimentlehre, Handelssysteme und deren Einsatz, RINA Bewertungen, statistische Bewertung von Reflexivitäten.)

Fundamentalanalyse (Ebenso muss das Themengebiet „Fundamentale Analyse“ beherrscht werden: Geschichte, Herleitung, Nutzen und Grenzen, Klassifizierungen, Widersprüche zur Reflexivität,  Einsatz dieses Analyseansatzes, Kennziffern, Vergleich zur Technischen Analyse.)

Portfoliotheorie und Random Walk (Ergänzend sollten Kenntnisse zu den Themen Portfoliotheorie und Random Walk beherrscht werden. Konkret: Erläuterungen, Geschichte und Hintergründe, Abgrenzungen zum klassischen technischen und fundamentalen Handelsansatz.)

Besitzt ein Händler dieses Basiswissen, können hierauf die jeweiligen Spezialisierungen aufgebaut werden.

Praxis

In der Praxis muss ein Händler in der Lage sein, das theoretische Wissen in seiner Komplexität auch anwenden zu können. Darüber hinaus sind die jeweiligen notwendigen Handelsroutinen zu beherrschen.

 

Kann man das Handeln an der Börse wirklich lernen oder können dies nur wenige Personen?

Sehen wir uns rückblickend die Entwicklung der Teilnehmer unserer Händlerausbildung in den letzten 4,5 Jahren an, fällt folgendes auf:

– einige Wenige scheiterten bereits an den Grundlagen und konnten oder wollten die Grundlagen des Verständnisses der Zusammenhänge nicht verinnerlichen,

– die absolute Mehrheit verstand die theoretischen Zusammenhänge zwar, schaffte es aber nicht überzeugend, die Theorie in die Umsetzung zu bringen,

– jenen Tradern, denen das gelang, hatten / haben ihre Schwierigkeiten im Lesen der Handlungsaktivitäten der Akteure im Chart und verfallen somit immer mal wieder in mechanische Handelsansätze.

Man könnte das jetzt mit fehlender Praxis, falscher oder mangelnder Lernbereitschaft begründen und an der Methodik festhalten, wie sie in den Banken betrieben wird (und wie wir diese in schon angepasster und modifizierter Form durchgeführt haben und noch durchführen), aber vielleicht ist dies „zu kurz gesprungen“. Mir hat das nie Ruhe gelassen und ich habe mich immer wieder mit dem Thema Lernen, Lehren und Lehrmethoden befasst. Jetzt bin ich auf etwas gestoßen, was das Problem aus meiner Sicht auf den Punkt bringt und damit auch Hindernisse aufzeigt, welche von der Methodik herrühren könnten. …

Zur ausführlichen Erläuterung kommen Sie durch das Anklicken der nachfolgend farblich unterlegten Links:

Handeln lernen ist wie das Lernen einer Sprache

Kann man das Handeln an der Börse wirklich erlernen?

„Erfolgreiches Day-Trading in 15 Minuten erlernen“ ...

unhaltbare Versprechen dieser Art sind im Internet weit verbreitet und finden immer wieder ihre dankbaren Anhänger. Dennoch sind Versprechen dieser Art unseriös. Erfolgreiches Handeln setzt ein Leben, Lernen und Brennen für den Handel voraus.

Eine sinnvolle und erfolgreiche Ausbildung fordert beide Seiten: Ausbilder, Trainer, Erfahrungsvermittler, als fordernder Treiber, als Trader und den Lernenden, als Kämpfer mit Biss, als jemand der das unbedingte Privileg anstrebt, als Trader arbeiten und leben zu wollen und dafür bereit ist, auch eine große Portion Eigenverantwortung in die eigene Zukunft zu legen.

Wer heute an den immer komplexer werdenden Märkten erfolgreich bestehen will, muss deren Strukturen, deren Zusammenspiel und deren gegenseitige Beeinflussungen verstehen. Dabei muss sein Verständnis über Themen wie Trading und Charting weit hinausgehen. Er muss in der Lage sein, Risiken zu erkennen und zu steuern, er muss das Wissen über die Akteure im Markt anwendungsbereit jederzeit abrufen können, benötigt die richtigen Informationen und das passende Werkzeug. Ein guter Trader überlässt nichts dem Zufall, er zockt nicht und spielt nicht, sondern sieht sich als überlegener Jäger, der um seine Stärken und Schwächen weiß, erstere weiter ausbaut und letztere zu überwinden versucht.

Doch wird diese Notwendigkeit, besonders von Trading-Anfängern, leider meist unterschätzt. Auch die Branche selbst vermittelt häufig ein falsches Bild. Seminare, selbsternannte „Börsen-Experten“, unendlich viele Börsenbriefe und noch mehr schlechte, zu teure Broker, lassen Erwartungen und Hoffnungen aufkeimen, welche meist schnell und nachhaltig an der Realität zerschellen.

Erfolgreiches Trading ist harte Arbeit. Harte Arbeit heißt, sich täglich mit seinen Schwächen auseinanderzusetzen, niemals mit dem Lernen aufzuhören, keiner fremden Meinung nachzulaufen, sondern selbstkritisch zu hinterfragen und alle die Fähigkeiten zu erlernen und ständig zu trainieren, die notwendig sind, um erfolgreich zu traden.

Handelsoberfläche und Anbindung an die Märkte müssen zum jeweiligen individuellen Trading-Stil passen. Professionelle Informations-Tools sind ebenfalls ein Muss und sollten am Aktivitätsmuster des Traders ausgerichtet sein.

 

 

Interview zum Ausbildungserfolg durch Trading Technologies von Januar 2019

Trading Technologies: Herr Wagner, Sie blicken jetzt auf vier Jahre Händlerausbildung im Retail-Bereich zurück. Konnten Sie an den früheren Erfolg in der Schulung institutioneller Händler anknüpfen?

Antwort: Das kommt darauf an, wie man Ausbildungserfolg definiert und wie man es realistisch vergleichend bewertet. Wenn wir nur das höchst möglich zu erreichende Ziel als Erfolg bezeichnen, also die Formung von stetig profitablen, selbstständig im Markt agierenden Tradern, dann  lagen wir deutlich hinter meinen ursprünglichen Erwartungen zurück. Vergleichen wir die Erfolgsquote dagegen mit der in der Industrie, lagen wir in etwa gleichauf. Vergleichen wir die Abschluss- und Bestandsquote in der Zertifizierung durch die Deutsche Börse AG, lagen wir deutlich über der Industrie. Es ist somit eine Frage der Definition.

TT: In Ihrer beruflichen Entwicklung bildeten Sie als Derivate-Händler in der Deutschen Bank auch mehrere Jahre Derivate-Händler in diesem Institut aus. Seit 2014 schulen Sie Privat-Trader. Gibt es Unterschiede zwischen Berufs-Händlern und privaten Tradern?

Antwort: Hätten Sie mir die Frage im Jahre 2015 gestellt, hätte ich geantwortet: Nein, keine Unterschiede – warum auch? Im Jahre 2019 antworte ich mit Ja – es gibt Unterschiede. Diese liegen aber nicht da, wo man sie zunächst erwarten könnte, also nicht in der Lernfähigkeit, nicht im Interesse für den Markt, nicht im Umgang mit der Handelsoberfläche. Die Unterschiede treten viel tiefer auf, ich glaube die Unterschiede liegen „im System“ selbst.

TT: … das heißt?

Antwort: Die Weichenstellung erfolgt bereits zu Beginn, wenn die ersten Berührungen mit der Börse, mit dem Handel und mit der dort herrschenden Kultur erfolgen. Im Berufshandel werden blutjunge Menschen für das Trading rekrutiert, diese sind in der Regel noch nicht geprägt. Diese kommen von den Universitäten, haben keine bis kaum eigene Erfahrungen mit der Börse gemacht – vielleicht haben sie irgendeinen Sparfonds oder ähnliches, mehr aber nicht – sie haben bis dahin weder Seminare oder Webinare besucht, waren auf keiner Börsenmesse oder ähnlichem. Das heißt, sie sind noch ganz weiß und wachsen somit in die Handelskultur mit all ihren Besonderheiten und heutigen Ausprägungen hinein. Der private Trader hat dagegen meist bereits Erfahrungen im Handel mit allen möglichen Produkten, hat diverse Themen gehört, gelesen, weiß von vielem etwas, meist nichts richtig tiefgründig. Damit festigt sich Halbwissen, mitunter unter falschem Grundverständnis, welches dann in einer Fachschulung immer wieder verknüpft wird mit dem neuen Stoff. Das kann nicht gut gehen.

Ein weiterer Unterschied tritt in der Grundmotivation auf. Viele – nicht alle – Interessierte antworten im Retail-Bereich auf die Frage, warum sie das Handeln an der Börse erlernen wollen, mit den Zielen: weniger arbeiten, mehr Geld verdienen, sich dem beruflichen Druck entziehen. Dieses Denken wird geprägt durch youtube-Videos, in dem offensichtlich erfolgreiche Trader nur eine Stunde täglich arbeiten und dann mit schicken Autos auf den Golfplatz fahren. Schaut man sich dann allerdings unter institutionell eingebundenen Berufshändlern um, dann sieht man Menschen, die 13 bis 15 Stunden am Tag arbeiten, einem unglaublichen Druck ausgesetzt sind, in harter Konkurrenz zueinander stehen und im Grunde jeden Tag um ein Bleiberecht am Futtertrog kämpfen. Diese Mentalität schlägt sich natürlich auf die ganze Folgeentwicklung des Traders durch. Ich habe im Berufshandel in all den Jahren niemals eine Diskussion führen müssen, ob Theorie wirklich gelernt werden muss, ob Theorie wichtig ist oder warum nicht einfach nur Praxis oder zumindest mehr Praxis in der Schulung durchgeführt wird. Im Umgang mit Privat-Tradern war das dagegen ein nahezu ständiges Thema, mit der Konsequenz, dass Theorie und Praxis nur bei wenigen Tradern eine Einheit bildeten. Wir haben über 95 Prozent aller Schulungsteilnehmer durch die große Börsenprüfung in Frankfurt Eschborn gebracht – und diese ist überaus „kernig“. Aber als Händler in unserem erwarteten Sinne einsetzbar ist davon nur ein kleiner Teil – und das ist bezeichnend.

TT: Fließen diese Erkenntnisse jetzt in Ihre Entscheidung mit ein, das Schulungskonzept neu aufzusetzen?

Antwort: Diese Frage kann ich ganz klar mit Ja beantworten. Im Grunde gibt es zwei Überlegungen: zum einen kann und will nicht jeder Interessent eine vollumfängliche Börsenhändlerausbildung absolvieren, sondern würde sich mit dem Erlernen der Grundlagen bereits zufrieden geben. Das hat zeitliche Gründe – nicht jeder kann ein ganzes Jahr Tag für Tag von früh bis Abend handeln, an Schulungen teilnehmen und dann noch lernen. Diese Gruppe haben wir bisher ignoriert. Zum anderen stellten manche Schulungsteilnehmer während der Ausbildung fest, dass entweder die Fülle oder die Inhalte nicht dem entsprechen, was sie sich vorgestellt haben, sind dann aber schon Bestandteil eines Ganzjahresprogramms.

TT: Das heißt, die Erwartungen der Teilnehmer gingen zum Teil in eine andere Richtung, als Sie anboten?

Antwort: Korrekt. Die Erwartungen gehen oft in Richtung eines zu erlernenden profitablen Handelsansatzes oder Handelssystems, welches man sich möglichst ohne viel Aufwand aneignen will – schließlich wird dies so im Retail-Bereich immer wieder propagiert. Da es am Markt, der für sich genommen jedoch ein komplexes, nichtlineares System ist, ein solches Regelwerk nicht gibt, vermitteln wir eine breite Basis an Grundlagen, welche sich vorrangig auf die Ursachen fokussieren und leiten dann die Wirkungen her. Im Ergebnis erstrecken sich die Lerninhalte über Systemtheorie, Markttheorie, Akteure, Handelsregelwerke, Produktlehre, Psychologie, Recht und vieles mehr. Doch intensiv Lernen ist nicht mehr jedermanns Sache, zumal es im Markt ja auch Angebote gibt, wonach man das Handeln in wenigen Stunden bis maximal einem Wochenendseminar erlernen könnte, was unseriös ist. Wir erklären dagegen, dass der lernende Trader selbst nach einem Jahr intensiver Schulung zunächst nur seine Chancen erhöht, an der Börse zu überleben. Und damit stehen wir im Widerspruch zu dem, was einige Privat-Trader erwarten.

TT: Es gibt keine Abkürzung? Es gibt somit nur den Weg des mühsamen Lernens?

Antwort: Wenn es eine funktionierende Abkürzung gäbe, hätten wir 7 Milliarden Händler auf der Welt und niemand würde mehr in anderen Bereichen arbeiten.

TT: Ist die Änderung der Struktur Ihres Ausbildungsangebotes eine Resignation Ihrerseits?

Antwort: Nein, ganz und gar nicht. Ich passe das Ganze nur an die Realität an. Ein Händler ist nun mal ein Einzelkämpfer. Sieht man Bilder von vollen Handelsräumen, könnte man zwar den Eindruck gewinnen, dass Handeln Teamarbeit ist, aber tatsächlich steht und fällt jeder einzelne dort für sich allein. Ein Händler ist ein Kämpfer, er ist ein Beißer, er frisst sich durch das Gestrüpp, bis er eventuell an die Trauben kommt. Ein Händler ist von sich überzeugt, er weiß aber auch, dass er mehr wissen muss, schneller kombinieren muss, rascher die richtigen Schlüsse ziehen muss – kurz – dass er besser sein muss als seine Counterparts im Markt. Und dazu muss man sein gesamtes Leben danach ausrichten und Lernen. Im Handel gibt es nur schwarz oder weiß, wir kennen keinerlei Grautöne, keinerlei Kompromisse. Entweder man gewinnt oder verliert – so ist es nun einmal.

Mit der Neuaufstellung der Ausbildung wollen wir jetzt die Erkenntnisse aus den letzten vier Jahren angehen. Auf der einen Seite haben wir jetzt der Jahresausbildung einen Probemonat  vorangestellt. In diesem Monat bieten wir bereits alle Inhalte des eigentlich ersten Monats an, geben aber dem Schulungsteilnehmer die Chance zu prüfen, ob die Schulung wirklich das ist, was er sich vorgestellt hat. Er kann abschätzen, ob er mit dieser Komplexität und Vielfalt an Stoff umgehen kann bzw. will. Und wir haben die Möglichkeit abschätzen zu können, ob der Schulungsteilnehmer eine realistische Chance zum Erreichen seiner Ziele hat oder nicht. Das ist fair beiden Seiten gegenüber.

Auf der anderen Seite bieten wir auch jenen Interessenten, welche ein Zeit- oder Inhaltsmengen-Problem haben die Möglichkeit, sich Wissen in der notwendigen Breite durch Selbststudium anzueignen. Durch die Möglichkeit des Selbststudiums folgen sie zwar einem vorgegebenen Themenplan, teilen sich ihre Zeit selber ein. Da der Selbststudienblock ein selbständiger Ausbildungsblock ist, kann dieser auch für sich und nur für sich genutzt werden, ohne dass Folgeschulungen oder ähnliches folgen müssen. Dazu vergeben wir ein Einjahreszugang und der Interessent kann sich in einer Vielzahl von aufgezeichneten Themen-Webinaren, Handouts und Lesematerialen völlig frei bewegen und lernen. Um die Lernstruktur dennoch zu halten, erhält jeder Nutzer einen strukturierten Inhaltsplan, als auch regelmäßige individuelle Webinar-Begleitungen, um Fragen zu klären, Querverbindungen aufzuzeigen und Vertiefungen der Themen zu unterstützen.

TT: Weiten Sie Ihre Ausbildungsinhalte aus?

Antwort: Wir behalten unsere Lizenzen für die Ausbildung und werden uns wahrscheinlich auch um die Lizenz des zertifizierten Kasse-Händlers bemühen, fokussieren ab jetzt aber verstärkt in die Industrie und an Universitäten. Da wir aber vorrangig und im Schwerpunkt handeln, heißt das, dass junge Trader, die wirklich das Handeln erlernen wollen, die Schulungsetappen durchstehen muss. Handeln an der Börse verlangt Härte und das fordern wir auch von Schulungsteilnehmern gegen sich selbst. Wer da durchkommt und den sich anschließenden Test besteht und sich wirklich als Kämpfer manifestiert, wird gute Chancen haben, seinen Traum als Händler zu erfüllen. Aber auch hier wird viel Eigeninitiative gefordert sein – ebenso, wie man es in der Ausbildung  im Berufshandel kennt. Das verschulte System, so wie wir dies bisher hatten, hat sich nicht als optimal erwiesen.

TT: Kommen wir auf den Selbststudienblock zu sprechen. Das heißt, dieser kann sowohl zur alleinigen Schaffung, als sowohl zur Ergänzung von theoretischem Grundwissen für den Börsenhandel genutzt werden, als auch als Basis für die Folgeschulungen?

Antwort: Genau. Wer sich für ein Selbststudium entscheidet, hat somit Zeit und Möglichkeiten sich selbst zu prüfen, wie weit man tatsächlich gehen will oder kann. Eine Entscheidung, ob man dann im Anschluss tatsächlich die Vorbereitung auf die Berufseignungsprüfung vor der Deutschen Börse AG, die Prüfung selbst und dann die Heranführung und Festigung an die praktische Verknüpfung des Gelernten will, treffen der Interessent, als auch wir nach der bestandenen P1 Prüfung, also nach dem erfolgreichen Durcharbeiten des gebotenen Stoffes.

Wer sich für eine richtige Schulung interessiert, wird täglich das Schulungsprogramm durchlaufen, muss aber auch hier ergänzend Selbststudien betreiben.

TT: Sie bieten aktuell etwa 138 aufgezeichnete Webinare an, das entspricht deutlich mehr als 300 Stunden Schulstoff, 91 Handouts, 41 Lesestoffe an. Ist das fix oder kommen immer mehr Inhalte dazu?

Antwort: Letzteres. Wir aktualisieren, passen an, verbessern und erweitern. Hinzu kommen auch elektronische Testmodule und andere Lernmodule.

TT: Praktische Elemente fehlen in der Selbststudienphase?

Antwort: Nicht ganz. Wir nutzen die Handelsoberfläche von Trading Technologies, da diese für mein Verständnis zu einer der am besten auf die Bedürfnisse des professionellen Handels im institutionellen Sinne ausgerichteten Schnittstellen zum Terminmarkt ist. Mit dieser Oberfläche lernt der Trader in der Selbststudienphase nicht nur den Umgang mit dieser Oberfläche, sondern er lernt die Fertigkeiten des Handels – Platzieren und Ausführen von Legs, verknüpfen der Legs zu Handelsbausteinen, verknüpfen der Handelsbausteine zu Phasen.

Das Handeln selbst folgt allerdings erst nach dem Selbststudium und hier sogar erst nach dem erfolgreichen Ablegen der offiziellen Händlerprüfung. Diese Reihenfolge halten wir auch in der Direktschulung bei.

TT: Warum kommt die Praxis so spät?

Antwort: Mein früherer Vorgesetzter, der Chefhändler Equities Europe der Deutschen Bank sagte immer: „Klicken ist der Ausfluss des Wissens – Klicken kann jeder Idiot, man muss wissen wann und wo man klickt.“ Und dazu braucht man das theoretische Wissen. Eine Erfahrung aus den letzten Jahren hat gezeigt, dass gerade jene lernenden Trader in der Ausbildung, welche die Theorie für übergewichtet hielten, zum Teil völlig falsche Positionseröffnungen durchführten. Damit unterschieden diese sich von jenen Tradern, die auf Grund ihres Verständnisses von Umfeld, Akteur und Baustein durchaus die Lage richtig einschätzten und sich profitabel entwickelten.

TT: Liegt ausbleibender Erfolg nur am fehlenden Wissen?

Antwort: Nein, sicher nicht. Einen gewaltigen Anteil hat die psychologische Komponente des Traders. Aber Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, die Fähigkeit Selbstzweifel zu unterdrücken, Mut und Besonnenheit basieren alle auf einer umfassenden Wissensbasis. Ich kenne keinen einzigen guten Händler, der kein fundiertes Wissen über seinen Handelsbereich hat – nicht einen. Somit kommt die psychologische Komponente nach dem Wissensaufbau.

TT: Sie werden in Zukunft wieder verstärkt institutionell handeln Herr Wagner, wird sich das auf die Ausbildungsinhalte auswirken?

Antwort: Der praktische Ausbildungsteil wird einen starken Praxisbezug zum echten Handel der marktbewegenden Akteure haben. Dennoch wird die vorhandene Basistheorie in voller Breite erhalten. Sollten sich vielversprechende Talente zeigen und sollten diese Interesse an institutionellem Geschäft haben, werden wir diesen entsprechende Möglichkeiten bereits in den Folgeausbildungen bieten, ebenfalls mit interessanten Perspektiven. Anders als bisher werden wir aber nur noch streng leistungsbezogen agieren – das ist in unser aller Interesse und ist – wie heißt es heute – alternativlos. Handeln ist kein Hobby oder Beruf – Handeln ist eine Lebenseinstellung. Und dieser Tatsache werden wir zukünftig wieder gerecht werden müssen.

TT: Herr Wagner, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Antwort: Ich habe zu danken.

 

Text zum Herunterladen: Interview durch Trading Technologies